Sandwichkind will einen Hund
Sie hat es nicht leicht, die junge Dame in Elfriede Hammerls aus dem prallen Familienleben gegriffenen Geschichte über eine arme, frischgebackene große Schwester mit noch größerer Schwester und nur einem Herzenswunsch, um diesem Dilemma zu entkommen: Sie braucht einen Hund, unbedingt und sofort! Von BEATE MAINKA
Natürlich sind alle dagegen, die übernächtigte Mama, der pragmatische Papa, die eine Oma wegen des Drecks und die andere wegen des Ärgers im Urlaub. Und die große Schwester findet Hunde sowieso doof. Dabei wäre es so schön: Unsere Heldin schildert es fantasievoll und ausschweifend, jedem, der es hören will und denen, die es nicht mehr hören wollen oder können, erst recht. Das Butzi, so nennt sie den neugeborenen Bruder, weil sie sich weigert, ihn beim Namen zu nennen, interessiert sie nicht die Bohne. Allerdings, ein Hund könnte ihn aus lodernden Flammen und dann aus dem Löschwasser retten, was ja sehr praktisch wäre. Und von wegen Dreck, die Oma soll sich bloß nicht so anstellen, wo sie doch dem Butzi den Brotmatsch mit bloßen Fingern aus dem Gesicht wischt und dann dieselben ableckt. Bäh!
Einen Hamster will sie nicht, eine Katze würde sich dem Butzi aufs Gesicht setzen und an Meerschweinchen hatte schon der Papa nicht wirklich Freude. Die Adoption eines armen verlassenen Hundes vor dem Supermarkt endet in reichlich Ärger mit der Besitzerin und in einer angeregten Diskussion mit Mama über deren momentane Überlastung. Doch dann ist da dieser Ausflug in das Baugebiet am Stadtrand und plötzlich keimt Solidarität unter den Schwestern auf. Ein Silberstreif am Horizont tut sich auf, mit vier Pfoten und einer feuchten Schnauze. Nur die Größe muss noch diskutiert werden.
Der alltägliche Wahnsinn namens Familie
Die ganz große Stärke dieses hinreißend komischen Buches liegt an dem Blickwinkel, aus dem Hammerl die Geschichte erzählt. Sie lässt ihr namenloses Mädchen selbst berichten, mit dem gnadenlosen, stets zielgerichteten Pragmatismus einer etwa Sechsjährigen, die mit der Ankunft eines kleinen Bruders klarkommen muss. Und die sich weigert, ihn zu akzeptieren, weil er vermeintlich ihrem Herzenswunsch im Wege steht. Sie steht zu ihren Gefühlen und Befindlichkeiten, entlarvt die Scheinargumente der Erwachsenen, ist herrlich widerborstig, übellaunig und dennoch nicht unbelehrbar. Das mit dem Butzi renkt sich nämlich irgendwann ein, er heißt ab da Lukas, wie von den Eltern gewünscht.
Sie redet, wie ihr der Schnabel gewachsen ist, mit österreichischem Sprachduktus eingefärbt, was der Qualität und dem Verständnis des Textes hierzulande keineswegs schadet, sondern ihm einen besonderen Charme verleiht. Ganz ungewohnte Begriffe wie etwa Paradeiser (= Tomate) werden im Anhang erklärt. In kurzen Kapiteln gibt sie Auskunft über die Turbulenzen ihres Familienlebens, greift Höhepunkte heraus und kommentiert sie genüsslich – zur Freude der Leser.
Hübsch ist sie nicht ...
… auf den höchst gelungenen Illustrationen des bisher als satirischer Zeichner bekannten Gerhard Haderer, sie kommt eher als ziemlich genervte Göre rüber. Überhaupt wirken die Personen fast wie ihre eigene Karikatur, das allerdings setzt den Unterton des Textes adäquat um. Nur die Hunde kommen realistischer daher, zum Anbeißen niedlich, als verspielte Wollknäuel aus Kinderträumen. Haderers Einstieg als Kinderbuchillustrator ist wohl gelungen, sowohl Kinder als auch Erwachsene werden ihren Spaß daran haben.
Bleibt nur noch anzumerken, dass die qualitativ hochwertige Ausstattung des Buches den relativ hohen Preis durchaus rechtfertigt. Inhaltlich ist sowieso nichts auszusetzen, handelt es sich doch um pures Lese- und Vorlesevergnügen für die ganze Familie. Was will man mehr!
Beate Mainka
Titelangaben:
Elfriede Hammerl: Meine Schwester ist blöd. Illustriert von Gerhard Haderer.
Wien: Carl Ueberreuter Verlag 2011. 71 S. 15,95 EUR
Ab 6 Jahren