Am 17. September 1984 erschien im profil zum ersten Mal eine Kolumne von Elfriede Hammerl: Ich bin die dicke Mama, die weiß, wo die blaugrüne Mütze ist".
Liest man den Text heute, geschieht zweierlei. Zunächst ist man erstaunt über die Leichtigkeit, mit der Hammerl ein derart gewichtiges Thema stemmt. Dann erschüttert die Aktualität, die es bis heute hat. Hat sich denn gar nichts verändert am Zusammenleben zwischen Mann und Frau und Kind? An der öffentlichen Wertschätzung von bezahlter und unbezahlter Arbeit? An den Kampflinien des Feminismus? Doch, es hat sich etwas verändert, hie und da sogar zum Positiven. Das ist zu einem Teil auch Elfriede Hammerls Verdienst. Mit ihren Kolumnen neben profil auch für Stern", Vogue", Cosmopolitan" und Kurier", ihren Romanen "Der verpasste Mann", "Müde bin ich Känguru", ihren Essays, Drehbüchern und Kabaretttexten hat sie Bewusstsein für so genannte Frauenthemen geschaffen die in Wahrheit natürlich Gesellschaftsthemen sind; als Mitinitiatorin des Österreichischen Frauenvolksbegehrens 1997 und Nationalratskandidatin des Liberalen Forums 1999 hinterließ sie auch in der Tagespolitik ihre Spuren. Mehrfach wurde sie für ihre publizistische Arbeit ausgezeichnet, unter anderem mit dem Publizistikpreis der Stadt Wien 1999, dem Frauenpreis der Stadt Wien 2002 und dem Concordia-Preis 2004.
Dieser Tage erscheint im Verlag Deuticke der Band „Alles falsch gemacht" mit einer Auswahl von Hammerls profil-Kolumnen.
profil
Frauen in der Arbeitswelt, Frauen als Mütter, als Konkurrentinnen (siehe Kolumne "Knackig vergeht"), als Liebende oder als "Quotenfrauen". Elfriede Hammerl beschäftigt sich in ihren Kolumnen mit Themen und Lebenssituationen, die weder an der politisch aktiven Feministin, noch an der treuen Woman-Leserin vorbeigehen. "Nach wie vor verdienen Frauen weniger, kommen schwerer in Führungspositionen, kümmern sich im Alleingang um Kinder und Alte, machen die unbezahlte (Haus-)Arbeit und haben einen wenig gesicherten Lebensabend", das sind die Kernthemen, wie sie Hammerl selbst in einer Kolumne umreißt. Klassiker sozusagen, von denen unabhängig, ob durch das eigene Leben, massenmediale Vermittlung oder intensive Auseinandersetzung mit feministischen Themen samt Theorie alle Frauen betroffen sein können. Zumindest früher oder später, mehr oder weniger.
Diese beiden Einschränkungen ziehen sich allerdings durch sehr viele Kolumnen aus "Alles falsch gemacht". Immer wieder verweist Hammerl auf die (vorübergehende) Blindheit hinsichtlich frauenpolitischer Notwendigkeiten von jungen Frauen oder "Töchtern einigermaßen wohlhabender Eltern". An Solidarität mangelt es also keineswegs nur von männlicher Seite. Und nicht genug, dass sich so viele naserümpfend von möglichen Befreiungsschlägen in Sachen Geschlechterrollen abwenden, Hammerl weiß auch von ausgewachsenen Wahrnehmungsstörungen zu berichten. So stoße man sich ständig an der Forderung nach gleichberechtigter Repräsentanz von Frauen in wichtigen politischen und wirtschaftlichen Positionen und schimpfe sie "übertrieben" und "Zwang", anscheinend in dem Bewusstsein, dass jegliche Maßnahmen gegen Diskriminierung von Frauen in Zeiten wie diesen überflüssig sei. Und dort, wo es nicht nur Einbildung ist, dass Frauen zu Genüge vertreten sind, wie im Erziehungsbereich, werden als Folgen der Frauen-Überzahl für unsere Söhne "Identitätskrisen, Depressionen, Suizidgefahr" prognostiziert, schreibt Hammerl. Na vielen Dank, liebe Mütter, Omas, Kindergärtnerinnen oder Lehrerinnen.
Als "bitterböser Lesegenuss" wird die Kolumnensammlung auf der Rückseite des Buches von dem Frauenmagazin "Brigitte" beworben. Analysen und Kommentare von Feministinnen als "bitter" oder "böse" zu betiteln hat Tradition. So wird der Schreiberin übertriebene Emotionalität unterstellt und der Inhalt ist folglich nicht rational. "Bitterböser Lesegenuss" ist also ein denkbar unpassendes Zitat, um ein Buch mit dezidert feministischem Inhalt schmackhaft zu machen. Auch der "Lesegenuss" will angesichts der beschriebenen Probleme nicht so recht passen. Vielmehr führen die Kolumnen eine zermürbende, zaghafte Entwicklung vor Augen, die sich nur mit größten Einschränkungen als solche bezeichnen lassen kann. Ein Schritt nach vorn, fünf zurück und dann kommt die nächste Generation und der Tanz beginnt von vorne. Die Lektüre macht also nicht unbedingt gute Stimmung - soll sie wahrscheinlich auch nicht. Vielmehr rückt sie unangenehme Tatsachen als solche ins Bild und liefert Argumente gegen versteckte Biologismen oder den Protest gegen die sogenannte "Gleichmacherei".
Elfriede Hammerls Kolumnen changieren zwischen einem kämpferischen, resignierten und einem analytischen Tonfall und beschäftigten sich vorwiegend mit der Lebensrealität von heterosexuellen Frauen, für die beruflicher Erfolg wichtig ist, die heiraten und die Kinder haben (wollen). Für alle anderen gibt es aber auch noch Beobachtungen zu modetechnischen Zwängen oder geschlechtsspezifischen Attribuierungen, universelle Schwierigkeiten für Frauen sozusagen.
"Alles falsch gemacht" führt außerdem vor Augen, wie wenig feministische Stimmen es in Österreich gibt, die abseits von Spezialdiskursen die Entwicklungen in Sachen Gleichberechtigung, Feminismus und nicht zuletzt auch Misogynie konsequent beobachten. Während Letzteres vom Boulevard selbst fleißig transportiert wird und Qualitätszeitschriften sich mit Verweis auf die ohnehin Anti-Sexistische Haltung von explizit feministischen Inhalten distanzieren, gibt es hier eine Lücke, die Elfriede Hammerl hoffentlich noch lange füllen hilft. (
dieStandard.at
Siebzigerjahre-Feministin wird Frau Elfriede Hammerl von älteren Männern und jüngeren Frauen genannt, wenn diese ihr übel wollen. Sie hingegen meint selbstbewusst: "Es ist kein besserer
Feminismus nachgekommen." …
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